Es ist ein langer Prozess, die Diktatur des Kopfs zu beenden. Er dauert ein Leben lang und gelingt wohl nie ganz. Aber Teilerfolge sind sehr wohl möglich. Er ist auf dem Schachbrett des Lebens ein starker Gegner, und wenn man ihn auch nicht matt setzen kann, ist es doch ein köstliches Vergnügen, den einen oder andern guten Zug zu machen, um sich etwas Raum zu verschaffen.Der Kopf – oder Verstand – handelt stets im ehrlichen Bemühen, die Firma „Mensch“ erfolgreich durch alle Wirrnisse des Lebens zu führen, vor roten Zahlen oder gar dem Konkurs zu bewahren. Er hat für seine Anordnungen immer gute Argumente parat, kann Beweise erbringen und mit Zahlen und Fakten auftrumpfen. Ausserdem arbeitet er wie ein Pferd, manchmal sogar nachts, ist beharrlich, trickreich und gnadenlos, wenn er sich im Recht fühlt – und das tut er immer. Ein Monster, dem sehr schwer beizukommen ist.
Um sich von der Versklavung durch den Verstand zu befreien, üben sich Menschen in jahrelanger Askese oder Meditation. Oder sie versuchen, ihn zu überrumpeln, so dass er für kurze Zeit sprachlos dasteht. Zu diesem Zweck greifen sie zu verrückten Dingen wie Drogen, Alkohol, Bungee Jumping oder Sex. Wobei er Letzteres in der Regel auch recht schnell übernimmt.
Nun ist Widerstand gegen etwas auf lange Sicht nie eine gute Lösung. Ob der Gegner nun der schwierige Nachbar ist, die Einkommenssteuer, das Übergewicht oder eben der dominante Kopf – besser ist allemal, damit umgehen zu lernen. Was Widerstand nicht schafft, das gelingt oft der Diplomatie – das Problem in Harmonie aufzulösen.
Ist auf der einen Seite der Waagschale zu viel Gewicht, kann man entweder etwas davon wegnehmen oder auf der andern Seite mehr drauflegen. Da sich der Kopf nur ungern etwas wegnehmen lässt, bleibt die zweite Möglichkeit. Man setzt dafür die Kräfte ein, die durch die Diktatur des Verstands zuvor verdrängt, eingeschränkt oder gelähmt wurden: das Herz und die Hand.
Die zwei sind ein lustiges Duo, das sich gerne am Leben erfreut. Im kindlichen Alter gelingt ihnen das auch recht gut. Je älter ein Mensch wird, desto mehr müssen sich die beiden den Reglementen, Bestimmungen, Geboten und Verboten fügen, die vom grossen Diktator Verstand ausgedacht und durchgesetzt werden. Daher sind Herz und Hand bei den meisten Menschen in unserem Kulturkreis etwas kleinlaut geworden. Aber sie sind da, und es sind die Verbündeten, die Sie gewinnen können – das Gewicht auf der andern Seite der Waagschale.