Die Kreation

Inspiration ist, wenn dich die Muse küsst. Das ist etwas zwischen dir und deiner Muse – eine ganz persönliche, um nicht zu sagen: intime Sache. – Willst du nun deine Inspiration für andere sichtbar machen, ist das eine Kreation. Nicht einfach, so einen Kuss zu erklären. Es ist eine Kunst!

Ob der Begriff “Kunst” nun von “künden” oder “können” kommt, darüber streiten sich die Geister. Ich finde, es braucht beides: Als Künstler solltest du deine Inspiration verkünden können. Diese muss natürlich vorhanden sein, damit es überhaupt etwas zu verkünden gibt. Auch wenn gewisse Erscheinungen in der Kunstszene zeigen, dass es auch ohne Inspiration geht, gemäss dem Spruch: “Wer nichts zu sagen hat, tut dies meist besonders laut.” Doch darum geht es hier nicht.

Da die Muse bei stürmischem Wetter nicht landen kann, solltest du zuerst einen ruhigen Landeplatz schaffen – im Kopf und im Herzen, denn Ruhe ist die Voraussetzung für Inspiration, wie im letzten “Zeichentipp” ausführlich beschrieben. Hast du Glück, kommt es zum Musenkuss – und dann beginnt die Arbeit: die Kreation.

Drei Faktoren spielen dabei mit. Sie bilden das Dreieck der Kreation:

Als Künstler musst du immer alle drei Punkte im Auge behalten und ausbalancieren, indem du entscheidest, welches Gewicht du den drei Ecken gibst. Schauen wir zum besseren Verständnis drei extreme Situationen an:

 

Bleibst du nur in der ersten Ecke kleben, fehlt dir die Kommunikation, um eine Brücke zu anderen Menschen zu bauen – du wirst gar nicht wahrgenommen. Wenn du dich um das Handwerk auch nicht kümmerst, bist du nicht fähig, deine Botschaft in eine ansprechende Form zu bringen. Du bleibst auf deinen Inspirationen sitzen – egal, wie grossartig diese sein mögen.

Konzentrierst du dich zu sehr auf die zweite Ecke und hast dazu handwerkliches Geschick, bist du ein rein kommerzieller Künstler, ganz und gar abhängig von der Gunst des Publikums – und wirst wohl irgendwann ausgebrannt sein. Fehlt zudem das handwerkliche Können, wirst du selbst auf einer Hobbyausstellung keine Bewunderung ernten.

Legst du das ganze Gewicht auf den dritten Punkt, das handwerkliche Geschick, lauert die Gefahr des Erstarrens. Was du machst, ist vielleicht technisch perfekt, aber blutleer. Es fehlt die Inspiration und ein wesentlicher Teil der Kommunikation: das Herz. Daher berührt es die Menschen nicht – und macht auch dir nicht wirklich Freude.

Je besser du das Dreieck der Kreation verstehst und all seine Aspekte anwenden kannst, umso stärker werden deine Werke ausstrahlen.  

In der Cartoonschule geht es natürlich um das handwerkliche Können. Doch wir arbeiten stets auch am Verständnis der beiden anderen Ecken des Dreiecks, denn unser Ziel ist nicht die Perfektion, sondern die Freude an der Kunst! Franz von Assisi hat es schön ausgedrückt:

Der, welcher mit den Händen arbeitet,
ist ein Arbeiter.
 

Der, welcher mit den Händen und dem Kopf arbeitet,
ist ein Handwerker.

Der, welcher mit den Händen, dem Kopf
und dem Herzen arbeitet,
ist ein Künstler.

Ich wünsche dir – mit und ohne Zeichenstift – eine gute Balance von Kopf – Herz – Hand.

Matto